Abschlussvorlesung von Prof. Dr. Bernd Roeck

„So liest es sich dann doch mehr wie ein Burckhardt, der den geographischen Raum erweitert hat“ urteilt die Kunsthistorikerin Jeanette Kohl über Bernd Roecks Alterswerk „Der Morgen der Welt“. Der Vorwurf des Eurozentrismus lastet schwer auf den zugegebenermassen kräftigen Schultern des monumentalen Panoramawerk über die Geschichte der europäischen Rennaissance. Ähnlich liesse sich in Roecks Abschlussvorlesung vom 14. Dezember 2018 über die Selbstdarstellungen von HistorikerInnen in der Geschichte das vorwiegend männliche, ältere und weisse Profil der Protagonisten anprangern. Dieses vorwiegend von Exponenten einer ‚politisch korrekten‘ Linken kultivierte Feindbild soll nun also das Gros der Akteure der Geschichtswissenschaft ausmachen? Roeck hatte in seiner Namedropping-Parade diesen Vorwurf bereits vorausgeahnt und beschwichtigend versichert, es gäbe auch namhafte Historikerinnen, doch seien diesen leider die Möglichkeitsräume zur institutionell geförderten Entfaltung ihres Talents vor dem 20. Jahrhundert nur sehr beschränkt zuteil geworden. Das subversive politische Statement hierbei ist klar, war doch Roecks letzte offizielle Vorsprache in den Hallen der UZH nichts weniger als das Tüpfelchen auf dem i seiner zumindest in den letzten 5 Jahren seiner universitären Lehre einzigartigen Vorlesungen, welche stets mit aufrischendem Humor zuletzt allmählich lähmend repetitiver Themenfelder (Katzen, Murmeltiere, Alternativmedizin u.v.m.) durchsetzt waren, sich aber in erster Linie stets mit den ‚grossen‘ Fragen der Geschichte auseinandersetzten. Wenn auch die (fast) vollzählige Anwesenheit der professoralen Zürcher Historikerzunft Anlass für einen fachlich auf hohem Niveau stehenden Beitrag gegeben hätte, wirkte Roecks Abschlussvorlesung mehr wie Provokation, ironische Pointierung, Kokettierung, kurz: Unterhaltung statt Inhalt. So stand dann anstatt im Bereich seiner zweifellos unersetzlich wertvollen fachlichen Beiträge in der frühneuzeitlichen sowie der Kunstgeschichte verhältnismässig viel Laudatio für Roecks Engagement für den MA-Weiterbildungsstudiengang „MAS Applied History“ an. Es verwundert nicht, dass mit der Heraushebung des äusserst gut besuchten, dem modernen, ‚neoliberalen‘ Nutzenzwang des akademischen Betriebs angepassten Weiterbildungsstudiengangs die merkantile Verwertbarkeit von Roecks Verdiensten über den akademisch-fachlichen Leistungen liegt. Entsprechend ‚populär‘ liest sich auch ‚Der Morgen der Welt‘, dessen zentrale Frage ‚Warum Europa?‘, um mit Michael Mitterauer zu sprechen, zwar nicht neuesten postkolonialen und ‚provinzialisierenden‘ Forschungstrends der Geschichtswissenschaft entgegenkommt, doch eben besonders auch bei einem nicht unbedingt fachlich versierten Publikum auf grosses Interesse stösst. Mit Bernd Roeck verlässt eine Generation von Historikern der ‚alten Garde‘ die Lehre, welche es sich noch leisten konnte, ihr Unwissen und ihre Inkompetenz gegenüber (inzwischen nicht mehr so) neuen Medien und Darstellungsmitteln wie Video und Power Point geradezu zu zelebrieren und sich in einer diffusen Wolke professoraler Autorität und Würde zu wähnen. Auf einigen Folien brachte Roeck dem Publikum die Porträts von namhaften Historikergrössen nahe, welche sich gegen Ende ihrer Karriere nunmehr ihren Untersuchungsgegenständen und Inspirationen auf groteske Weise glichen. Die Ironie dieser Situation lässt sich nicht verkennen, wenn man nun die von ihm geliebte Büste Jacob Burckhardte neben sein Porträt stellen würde. Auch der ‚Burckhardt, der den geographischen Raum erweitert hat‘ hat sich inzwischen erschreckend akkurat seinem Original angenähert. Gleichwohl wird Studierendenschaft ihren Professor vermissen. Roecks thematischer Weitblick in seinen Vorlesungen, seine packende Rhetorik und die stets angeregte Diskussionsatmosphäre in den Seminaren werden in Zukunft ihresgleichen suchen. Darüber hinaus bedankt sich der Fachverein Geschichte für die Büste Jacob Burckhardts, welche nun trotz des Abgangs seines früheren Besitzers weiterhin im Hause bleiben kann.

Text: Johannes Wahl